Insgesamt mehr als 10 Wochen darf ich in diesem Jahr in Höchenschwand verbringen; mit Natur- und Astrofotografie, mit Musik, mit vielen Freunden und Bekannten. Ein humorvoller Fotobericht über meinen diesjährigen Aufenthalt: Höchenschwand 2023.
Die ersten sieben Wochen meines Aufenthaltes in Höchenschwand 2023 im Juli und August bin ich ohne Ehefrau dort und wohne im Haus Zipfel, wo ich von meiner Orgelkollegin und guten Freundin sowie ihrer Mutter liebevoll versorgt werde. Alles, was ich in meiner turnusmäßigen Fastenphase im Frühjahr abgenommen habe, muss mein Luxuskörper nach den sieben Wochen jojomäßig wieder mit sich herumschleppen. Und noch mehr…
Es soll ein fast kostenloser Urlaub werden, denn auf der Tube Rei (Rei in der Tube), das ich für meine Handwäsche im Urlaub nutze, entdecke ich die Aufschrift: „Wir bezahlen Ihren Urlaub“. Das ist super! Immer, wenn es ans Bezahlen geht, zeige ich nun die Tube und sage, die Rechnung soll an Rei geschickt werden. Auf Verweigerungs-Äußerungen entgegne ich, dass ich mich da ein bisschen drauf verlassen habe und ansonsten gar kein Geld besitze. Irgendwann macht mich jemand auf das Kleingedruckte aufmerksam: „Machen Sie ein Foto von sich und Rei in der Tube…“. Da kann man natürlich großzügig sein. Rei und ich passen niemals zusammen in die Tube und dabei soll ich auch noch ein Selfie machen? Und wer ist überhaupt Rei?
Das erste fotografische Highlight ist also nicht das Selfie in der Tube, sondern Familie Waldrapp, die nach mehreren hundert Jahren erstmalig in der Schweiz wild gebrütet hat. Und das mitten in einem Industriegebiet in der Nähe des Züricher Flughafens. Zuerst bin ich mit Peter dort (inklusive einem Spotting-Abstecher zum Flughafen), später noch einmal mit meinem Französischen Fotofreund Florian. Beide besuchen mich in Höchenschwand. Mit Florian werden wir auch erstmalig bei der Einreise nach Deutschland vom Zoll angehalten. Vermutlich wegen des französischen Kennzeichens. Nach ein paar Fragen können wir weiterfahren. Florian sagt zu mir: „Wenn der mich gefragt hätte, wie viel ich getrunken habe, hätte ich erwidert: ‚Wenn ich die Brille abnehme, habe ich 2 Gläser weniger‘ “. Gut, dass der Beamte nicht gefragt hat… Über die Waldrapp-Aufzucht habe hier bereits ausführlich berichtet: „Waldrapp-Sensation – Waldrapp-Pärchen brütet bei Zürich“.
Mit Peter besuche ich den Krai Woog Gumpen, einen romantischen Wasserfall in der Gemeinde Görwihl. Von Höchenschwand aus gesehen liegt er jenseits des Albtals. Der seltsame Name „Krai Woog“ kommt aus dem Allemannischen und bedeutet so viel wie „Kreischende Welle“. Als Gumpen bezeichnet man durch einen Bach entstandene, beckenartige Strudeltöpfe.
Peter, Jean-Paul, Florian und ich gehen Anfang August auf die Suche nach einer äußerst seltenen Orchidee, dem Blattlosen Widerbart. Über Orchideen im Schwarzwald habe ich vor einigen Jahren hier berichtet: „Im Orchideen-Paradies“ und „Korallen im Wald und Ungeheuer im Moos – Orchideenblüte in Südwestdeutschland“.
Während wir den Widerbart suchen, berichtet uns Jean-Paul von der Pfauenfliege, die er bei Colmar in Frankreich entdeckt hat. Peter muss leider die Heimreise antreten, aber Jean-Paul zeigt Florian und mir den Fundort der Pfauenfliege. Siehe: „Die Pfauenfliege – Amerikanischer Winzling bei Colmar“.
Mit Florian fahre ich auch Richtung Bad Urach zum Alpenbock, dem wohl größten und prächtigsten Käfer hierzulande, der von etwa Mitte Juli bis Anfang August anzutreffen ist. Wir haben Glück und finden etliche Exemplare. Ich habe den Käfer ja bereits ausgiebig fotografiert (siehe: „Alpenbock ohne Alpen – Die Buchen sollst Du suchen“), wollte ihn aber gerne einmal im Flug erwischen. Florian habe ich den Vortritt gelassen, danach flog der Käfer nicht mehr. Schade, wieder einmal viele Kilometer gefahren, ohne mein eigentliches Ziel zu erreichen.
Da Florian gerne einmal die Milchstraße fotografieren will, nehme ich ihn an mehreren Nächten mit auf „Nachtschicht“. Während er sich auf die Milchstraße konzentriert, fotografiere ich meine geplanten Himmelsobjekte: NGC 6888 mit der „Blase“ im Sternbild Schwan, den Pacman-Nebel (NGC 281) im Sternbild Kassiopeia und im gleichen Sternbild den Blasen-Nebel (NGC 7635). Die Bilder kannst du hier: „Astro-Fotografie – Objekte des Sommerhimmels 2023“ sehen. Ganz in der Nähe meines Astro-Stammplatzes soll übrigens ein Wolfsrudel herumstreunen. Aber das beunruhigt mich nicht. Wäre toll, wenn ich es fotografieren könnte.
In meiner „Freizeit“ bin ich oft im Loipenhaus und in der Linde. Reinhard, den ich in diesem Jahr kennenlerne, schleppt mich eines Tages auch mit zum Seppelmetzger. Oft komme ich danach hierher. Neben dem seriösen „Holzhacker-Brett“, gibt es noch das „Spezial-Seppelmetzger-Brett“ für den großen Hunger: 1 Cordon-Bleu mit Bratkartoffeln, 2 Spiegeleier, 2 Bratwürste und Salat. Ich habe Ute, der Wirtin vom Seppelmetzger, geraten, das Brett in „Bügelbrett“ umzubenennen, weil man davon dermaßen vollgefuttert ist, dass es einem die Falten aus dem Gesicht bügelt…
Einige schöne Abende verbringe ich hier mit Berliner Gästen und Einheimischen, zu denen ich mich fast auch schon zähle. Durch meine zahlreichen Kontakte weiß ich immerhin oft mehr über die Vorgänge im Dorf, als die Dorfbewohner selber.
Natürlich lasse ich auch nicht die Gelegenheit an mir vorüberziehen, das Können und den musikalischen Einfallsreichtum meiner Organisten-Kollegin und Freundin Franziska Rogg ausgiebig zu würdigen. Gelegenheit dazu ergibt sich vor allem während der Mittagsmessen der Gustav-Siewerth-Akademie, die regelmäßig im August in Höchenschwand ihr Sommerseminar veranstaltet und die oft von hochrangigen katholischen Geistlichen zelebriert werden. Auch in diesem Jahr ist z.B. Erzbischof Gänswein wiederholt vor Ort.
Als ich nach den sieben Wochen wieder zu Hause ankomme, kann ich meine Frau nicht finden. Später stellt sich heraus, dass Erika im Garten ist und ich sie wegen des hochgewachsenen Grases unmöglich entdecken kann. Rasenmähen ist nun dringend angesagt. Meine Spezialität: Grapfelmus. Ein Mus aus Gras und Äpfeln, die vom Baum gefallen sind. Mit dem Rasenmäher blitzschnell hergestellt und hervorragend für den Kompost (nicht Kompott!!) geeignet.
Knapp drei Wochen verbringe ich zu Hause, bevor ich mich wieder auf den Weg Richtung Höchenschwand begebe. Diesmal mit Aufsichtsperson. Da ich inzwischen unglaublich viel (Astro-)Fotokram mitnehmen muss, ist mein 7,5-Tonner, wie ich meinen Pkw nenne, komplett vollgepackt. Weil meine Frau ansonsten keinen Platz mehr im Fahrzeug hat, habe ich mir eine Dachbox zugelegt und ein Loch hineingeschnitten, damit sie während der Fahrt etwas sehen kann.
Mein zweiter Aufenthalt „Höchenschwand 2023“ ist zuerst geprägt durch das vorgezogene Patrozinium, an dem ich wieder im Chor mitsinge. „Michaeli“ wurde vorverlegt, da am Sonntag danach die 250-Jahrfeier der Kirchweihe des Doms zu St. Blasien (1773 nach dem großen Brand von 1768) stattfinden soll. Auch an dieser Feier darf ich als Chorsänger teilnehmen. Ich schaffe es sogar, mich unmittelbar neben den Spieltisch der großen Domorgel zu postieren, wo die Domorganistin Eiko Maria Yoshimura ihr hervorragendes Können zeigt (zum Einzug: „Introduction – Choral“ aus der Suite Gothique von Léon Boëllmann, zur Kommunion: „Elegy“ von Sir Thalben-Ball und zum Auszug „Carillon de Westminster“ von Louis Vierne). Die ersten beiden Stücke spiele ich selber, das dritte gehört (noch?) nicht zu meinem Repertoir…
Wie ich bei einem Besuch erfahre, ist Tea vom Loipenhaus inzwischen „Mama“ geworden, denn eines ihrer Hühner hat drei Küken ausgebrütet. Ich habe die Ehre, die Hühnerfamilie ablichten zu dürfen.
Da ich bereits zum 80. Mal in Höchenschwand bin, werden Erika und ich vom Bürgermeister Sebastian Stiegeler zu einem Ehrungstermin eingeladen. Conni, die Schwester meiner Organisten-Freundin ist auch anwesend und schreibt den Bericht, der inzwischen in der Badischen Zeitung erschienen ist. Es ist für Erika und mich ein schöner Nachmittag mit Conni und Sebastian bei Kaffee und Kuchen.
Erwähnt werden muss auch der Strohskulpturen-Wettbewerb, der alle zwei Jahre stattfindet. Die Höhepunkte für mich: Das „Schlachtfest“ , das Erika und ich zusammen mit Béa, Paul und Michael besuchen. Die Schlachtplatte (Blut- und Leberwurst, Kesselfleisch, Kartoffelpüree und Sauerkraut) ist ein Genuss für meinen geplagten Magen! Ein weiterer Höhepunkt ist die Prämierung der Strohskulpturen Höchenschwand 2023. Einige der Skulpturen wandern in den Europapark Rust, wo sie einige Zeit verbringen und von den Besuchern bestaunt werden können. Am Tag der Prämierung werde ich noch einmal als treuer Gast erwähnt. Immerhin liege ich mit meinen 80 Höchenschwand-Besuchen an zweiter Stelle. Gleich nach einem ehemaligen Gast mit 120 Besuchen. Keine Ahnung, ob ich das in meinem Leben noch toppen kann. Auf dem Prämierungsfest spricht mich eine Dame an: Ein Mitglied des Gesualdo-Ensembles, in dem auch meine Orgellehrerin aus meiner Kirchenmusiker-Ausbildung singt. Die Welt ist klein…
Den ersten Preis hat übrigens, wie in den Jahren zuvor, wieder einmal der Landfrauen-Verein abgeräumt. Kein Wunder, denn Landfrauen kommen naturgemäß an das beste Stroh.
Ein weiterer Genuss sind wieder einmal die hausgemachten Rouladen, die Stefan von der Linde gekocht hat. Und da soll man nicht zunehmen?
Eigentlich will ich Peter und Florian besuchen, die in Schönbuch die Hirschbrunft fotografieren wollen. Die hat aber wohl aufgrund des langen Sommers noch gar nicht begonnen. Jedenfalls liegen die Hirsche anscheinend lustlos in der Gegend herum. Deshalb „storniere ich den geplanten Besuch“. Am Federsee bei den Bartmeisen waren die Freunde erfolgreicher. Aber die Bartmeisen habe ich selber vor einigen Jahren bereits abgelichtet (siehe: „Waschen erlaubt, rasieren verboten – Bartmeisen am Federsee“).
Aber Peter besucht mich erneut in Höchenschwand. Mit ihm, und später auch mit Florian, fahre ich nach Triberg zum Tannenhäher. Auch hier Fehlanzeige. Kein Tannenhäher und kein Eichelhäher zu sehen. Lediglich ein Eichhörnchen, das lustlos an der Erdnuss, die ich ihm hinhalte, schnuppert und sich von dannen trollt. Bisher habe ich den Tannenhäher Ende September stets angetroffen (siehe: „Tannenhäher-Foto für 4.388 Euro – Tripod-Pech in Triberg“). Florian berichtet mir später, dass er den Tannenhäher in Triberg erst im November erwischt hat.
Auch die Astro-Fotografie ist im zweiten Teil von „Höchenschwand 2023“ nicht zu kurz gekommen: Neben der Weiterführung von Projekten, die ich im vorigen Jahr begonnen habe (z.B. das Einfangen des spannenden Objekts „Sh2-129 mit OU4“, habe ich mich diesmal dem himmlischen Löwen, dem Löwen-Nebel (Sh2-132) im Sternbild Kepheus gewidmet. Meine Astro-Objekte aus diesem Sommer findest du hier: „Astro-Fotografie – Objekte des Sommerhimmels 2023“.
Musikalischer Höhepunkt ist am letzten Sonntag unseres Aufenthaltes das vierhändige Orgelspiel von Franziska Rogg und mir zu Erntedank. Wir spielen zum Einzug die Fuge über „Lobe den Herren“ aus der Sonate g-Moll von Leberecht Baumert. Von ihm spielen wir auch das „Andante“ aus der gleichen Sonate zur Kommunion. Aus den Variationen über „Auld lang Syne“ von Eugene Thayer „Variation 3 – Tempo di Schottische“ und „Finale“. Auf Youtube leider nur in der 2-händigen Version.
Nun sitze ich wieder hier zu Hause an meinem Schreibtisch und stürze mich in die Arbeit, um mein „Heimweh“ nach Höchenschwand zu verdrängen…
Ein toller bebilderter Bericht lieber Ronald, aus dem mit jedem Wort deine Begeisterung für diesen Ort mitschwingt.
Bei der Vorstellung deiner Gattin in der Dachbox, die aus einem Loch lugt, musste ich doch herzhaft lachen. 🙂
LG Frauke
Hallo Frauke,
ja, Höchenschwand ist eine Reise wert. Selbst in der Dachbox…
Liebe Grüße
Ronald