Schon lange wollte ich einmal nach Helgoland, dem deutschen Vogelparadies schlechthin. Diese Insel mit zwei Bergen ist das deutsche Lummenland (nicht Lummerland). Im April 2019 mache ich mein Vorhaben wahr.
Ich nutze einen Aufenthalt in Niebüll (siehe: „Kampfläufer-Balz: Ich bin der Märchenprinz“), um von Büsum aus mit der „Funny Girl“ nach Helgoland zu schippern. Es ist die erste Verbindung des Jahres von Büsum aus nach Helgoland, weshalb das traditionelle Ausbooten entfällt. Ein wichtiges Argument für mich, denn mit der schweren Kameraausrüstung, einem noch schwereren Koffer und einer nicht mehr ganz taufrischen Hüfte möchte ich das Risiko eines Sturzes und das Wassern der Kameraausrüstung vermeiden.
Die Überfahrt dauert insgesamt gut 2,5 Stunden. Aber bereits nach 1,5 Stunden bemerke ich, wie viele der Passagiere sich an Deck begeben: Helgoland ist in Sicht!
Mein Hotel liegt im „Unterland“ von Helgoland in Sichtweite des Hafens. Nach dem Einchecken mache ich eine Erkundungstour. Mit meiner Kamera geht es die schier unendlich lange Treppe hinauf zum „Oberland“. Später erfahre ich, dass es nicht weit von meinem Hotel einen Aufzug gibt, der mich anstrengungslos gen Himmel befördert hätte.
Bald erreiche ich den Lummenfelsen, auf dem bereits die Basstölpel ihre Nester errichtet haben. Wahrlich kein Ort für sensible Nasen. Wen der Geruch der Basstölpelkolonie nicht stört, kommt bis auf einen knappen Meter an die Vögel heran. Mein Geruch stört die Basstölpel offensichtlich auch nicht, denn sie bleiben relativ ruhig auf ihren Nestern sitzen, während ich durch die Drähte der Sicherheitsabsperrung fotografiere.
Die traditionsbewussten Vogelpärchen haben ihre Nester aus Algen und Gräsern gebaut. Die fortschrittlicheren dagegen haben auf moderne Baumaterialien gesetzt und ihre Nester aus Resten von Nylon-Fischernetzen erstellt. Ausgereift ist diese neuartige Technik allerdings noch nicht, denn die Füße der Vögel verheddern sich ständig in den Maschen.
Immer wieder treffen Basstölpel mit Nistmaterial auf Helgoland ein. Die Begrüßung zwischen den Partnern ist ausgiebig. Einige stellen sich bei der Ablage des Materials ziemlich tölpelhaft an. So landet so manches Grasbüschel statt im Nest auf dem Rücken der Angebeteten.
Anschließend landet der Tölpel selber auf dem Rücken der willigen Angebeteten. Während des Aktes beißt er sie in den Nacken und trampelt mit seinen Watschelfüßen abwechselnd links und rechts auf ihrem Rücken herum. Für ein neues Kapitel im Kamasutra ist diese Technik wohl ungeeignet…
Die Enge in der Basstölpelkolonie führt zu manch kurioser Szene. Da klaut doch tatsächlich ein krimineller Basstölpel dem Nachbarn das Nistmaterial unterm Hintern weg. Kein Wunder, dass es anschließend zu einer wilden Prügelei zwischen mehreren Tölpel-Großfamilien kommt.
Noch enger geht es auf Helgoland bei den Lummen zu. Dicht an Dicht drängen sich die Vögel auf unglaublich schmalen Felssimsen. Wie kann man unter diesen Bedingungen nur brüten?
Zeit für mich, mich um mein Abendessen zu kümmern. Und das ist auf Helgoland schwierig. Es gibt in den Restaurants einfach keine freien Tische! Um dem Hungertod zu entgehen, muss man bereits Tage vorher reservieren.
„Haben Sie noch einen Platz frei?“
„Nein, leider sind alle Tische reserviert.“
Diese Antwort höre ich in jedem Restaurant. Irgendwann fällt mir endlich das Argument ein, welches mich vor dem Abnehmen meines Kampfgewichts rettet: „Ich will mich nicht weiter aufhalten, nur schnell was essen, dann bin ich sofort wieder weg.“. Das zieht.
Nach dem Abendessen mache ich noch einen Rundgang auf dem Oberland. Vorbei geht es an verschiedenen historischen Stätten. Beeindruckend ist der riesige Bombentrichter einer 5000 kg-Bombe. Nachdem nämlich die Engländer uns im 2. Weltkrieg von den Nationalsozialisten befreit haben, wollten sie uns mit den gleichen Mitteln auch von der Insel Helgoland befreien. Trotz Unmengen von Sprengstoff – Helgoland hielt stand. Eine deutsche Insel kriegt man eben nicht so schnell klein…
Ich besuche noch einmal den Lummenfelsen und warte auf den Sonnenuntergang an der „Langen Anna“. Neben dem Oberland mit dem Lummenfelsen ist die Lange Anna quasi der zweite „Berg“ auf der Insel.
Leider verunglückt der Sonnenuntergang etwas, weil sich der Himmel bewölkt und in der Ferne offensichtlich schlechtes Wetter anrollt.
Tatsächlich ist am nächsten Tag das schöne Wetter passé. Es ist stürmisch und richtig kalt. Ich will hinüber zur Düneninsel von Helgoland. Wegen des Sturms legt die Dünenfähre ausnahmsweise nicht von der Landungsbrücke, sondern vom Nordosthafen ab. Glücklicherweise bin ich zeitig genug an der Landungsbrücke, um die Änderung zu lesen und den Nordosthafen rechtzeitig zu erreichen.
Gott sei Dank dauert die Überfahrt nur ein paar Minuten. Selten bin ich dermaßen durchgeschüttelt worden! Der Breakdancer auf unserer Annakirmes in Düren ist dagegen die reinste Sänfte.
Mein erster Weg auf der Düneninsel führt mich natürlich zu den Kegelrobben. Zum Glück habe ich für Kamera und Objektiv eine Schutzhülle gegen Sand und Regen mitgenommen, die mir jetzt gute Dienste leistet.
Die Kegelrobben räkeln sich am Strand. Im Gegensatz zu mir sind sie vom ungemütlichen Wetter völlig unbeeindruckt.
Vom Nordstrand aus wandere ich zum Südstrand, wo die Seehunde herumliegen.
Eine Möwe knackt eine Krabbe. Ich bin so mit dem Fotografieren beschäftigt, dass ich gar nicht merke, dass ich bereits den geforderten Mindestabstand zu den Robben (30 Meter) schon fast unterschritten habe.
Zwei kleine Teiche gibt es auf der Düneninsel: Den Golfteich und den Grillteich. Beiden statte ich meinen Besuch ab. Das Highlight dort ist der Sperber, der sich ganz in meiner Nähe niederlässt.
Vollkommen durchgefroren gehe ich zum Fährenanleger, wo ich mit anderen Leidensgenossen in einem Schutzraum auf den Breakdancer warte, der uns zurück zur Hauptinsel schaukelt.
Am nächsten Morgen mache ich mich sofort nach dem Frühstück auf zum Nordstrand der Hauptinsel von Helgoland. Wer mich kennt, der weiß, dass mich alles interessiert, was die Silbe „Grill“ enthält. Und am Nordstrand war eine Grillteiste gemeldet worden. Später erfuhr ich, dass man Grillteiste mit „y“ schreibt. Der Vogel heißt also „Gryllteiste“. Die Gryllteiste entdecke ich sofort und kann sie ausgiebig ablichten.
Auch eine Robbe sehe ich im Wasser. Sie zerkleinert gerade ein Irgendwas und lässt es sich schmecken.
Bevor am Mittag mein Schiff zurück nach Büsum fährt, genehmige ich mir noch ein leckeres Matjesbrötchen. Gerade habe ich meinen ersten Bissen genommen, da spüre ich einen ordentlichen Schlag auf die rechte Schulter. Ist da irgendetwas vom Dach gefallen und hat mich getroffen? Mein Fischbrötchen liegt auf der Straße und wird gerade von derjenigen Möwe verspeist, die mir im Flug den Schlag auf die Schulter versetzt hat! Wäre ich nicht so ein Vogelfreund, hätte ich den Dieb zu Matjes verarbeitet.
Ich kaufe mir ein nun neues Brötchen. Und schon wieder umkreist mich eine gierige Möwe. Das Essen macht keinen Spaß, denn ich muss ständig auf die Möwe und das Fischbrötchen achten, um einen weiteren Schnabelraub zu verhindern.
Am späten Nachmittag legt mein Schiff in Büsum an. Nachdem ich mein Gepäck im Auto verstaut habe, geht es Richtung Heimat, wo ich nach Mitternacht eintreffe.
Im nächsten Jahr werde ich meinen Helgoland-Besuch wiederholen, um die Fütterung des Basstölpelnachwuchses und den Lummensprung zu fotografieren.
Dass mir die Covid-19-Pandemie einen Strich durch meine Rechnung machen würde, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
Hallo Ronald, wieder mal sind dir tolle Bilder gelungen. Wer suchet, der findet und du findest immer die lustigsten Tiere. Die Kegelrobbe finde ich cool und natürlich den Basstölpel. Das arme Weibchen muss ganz schön viel aushalten
LG
Hallo Heidi,
ich vermute, dass umgekehrt die Tiere uns für eine Art seltsamer, oft gar nicht lustiger Affen halten…
Liebe Grüße
Ronald
Hallo Ronald,
Die Tölpel haben den Namen wohl zu recht. Die Braut auf Neilonschnürren zu poppen oder Brautgeschenke in Form von Gras sind mehr als komisch. Eine lustig-schöne Serie in Bestqualität ist dir gelungen und mit viel Schmunzellstoff.
Gruß
Bernd
Hallo Bernd,
ja, Du hast recht. Von so einem Tölpel kann man nichts lernen, was in der Praxis halbwegs anwendbar wäre.
Viele Grüße
Ronald