Der Unterschied zwischen dem stahlharten Grillgutjäger und dem Stahlblauen Grillenjäger ist relativ schnell erklärt: Ersterer bin natürlich ich, der für ein Stückchen Grillgut zum Monster werden kann, der andere ist ein eingeschlepptes, seltenes Insekt, das sich von Mittelamerika aus über den europäischen Süden immer mehr nach Norden ausbreitet und von Natur aus wie ein kleines Monster aussieht.
Im August 2020 ist der stahlharte Grillgutjäger unvermittelt dem Stahlblauen Grillenjäger begegnet. Aber der Reihe nach.
Natürlich bin ich in diesem Jahr wieder zur Schlemmermeile in Höchenschwand. Leider wird aber wegen der Corona-Pandemie die diesjährige Schlemmermeile abgesagt. Für einen Grillgutjäger eine mittlere Katastrophe. Zumal auch alle Wanderfreunde ihren alljährlichen Aufenthalt in Höchenschwand absagen. Tröstlich, dass es bei Stefan und Markus in der Linde gegen Cash leckere Grillsteaks für den Grillgutjäger gibt.
Also verlege ich meine geplanten Schlemmermeilen-Aktivitäten vom Essen und Wandern vor allem auf das Fotografieren. Zwei Wochen vorher haben Foto-Kumpels von mir bei Bad Urach den Alpenbock fotografiert, ein Highlight für jeden Naturfotografen. Leider hat der Alpenbock sein kurzes Leben an der bezeichneten Stelle bereits ausgehaucht. Der adulte (ausgewachsene) Alpenbock-Käfer hat, verschiedenen Quellen nach zu urteilen, lediglich eine Lebenserwartung zwischen 10 Tagen und 6 Wochen. Aber es gibt bei Beuron einen Alpenbock-Pfad. Vielleicht finde ich das begehrte Objekt ja dort.
Beuron liegt etliche Kilometer näher an Höchenschwand als die Alpenbock-Fundstelle meiner Fotografen-Kumpels. Akribisch suche ich alle Buchenstämme auf dem Beuroner Alpenbockpfad ab. Vergebens, es ist kein Alpenbock zu finden. Nur Schlupflöcher verschiedener Bockkäfer. Auf einer Wilden Möhre paaren sich die Streifenwanzen.
Schmetterlinge tummeln sich an den Blüten. Einen davon habe ich noch nie gesehen: Einen Blauschwarzen Eisvogel! Dann kommt auch noch ein ganz seltsames Insekt angeflogen und setzt sich auf die Blüte des Blauschwarzen Eisvogels. Klar, dass es sich um eine Wespenart handelt. Aber so ein Viech habe ich noch nie gesehen.
Drei Tage lang muss ich recherchieren, bevor ich herausfinde, um welches Insekt es sich hier handelt.
Vorher aber fahre ich nach meiner Wanderung auf dem Alpenbockpfad bei Beuron zum nahe gelegenen Zellerhorngipfel bei Albstadt, um von dort aus den Sonnenuntergang an der Burg Hohenzollern zu erleben.
Drei Tage später: Endlich finde ich das seltsame Insekt durch Bildervergleich auf der Website www.insektenbox.de, die ich schon öfter zur Bestimmung von Insekten konsultiert habe. Es handelt sich um den Stahlblauen Grillenjäger (Isodontia mexicana), der nach meinen Recherchen inzwischen bis zum Kaiserstuhl und nach Bayern vorgedrungen ist.
Der Stahlblaue Grillenjäger ist eine Grabwespen-Art, die ihre Brut in oberirdischen Hohlräumen (auch in hohlen Schilfhalmen etc., wie man sie z.B. in künstlichen „Insektenhotels“ findet) großzieht. Typisch ist, dass der Grillenjäger die Eingänge zur Bruthöhle mit Grasblättern verstopft. Wie der Name schon verrät, fängt der Grillenjäger Grillen und Heuschrecken als Nahrung für die Brut.
Ich schreibe den Naturpark Obere Donau an, da ich einen Nachweis des Insekts für die Alb nicht finden kann. Der Geschäftsführer des Naturparks leitet meine Meldung freundlicherweise umgehend an das Landratsamt Tübingen weiter. Von dort erhalte ich per E-Mail einen Dank für meine Meldung. Ich sei einer der wenigen Menschen, die den Stahlblauen Grillenjäger je gesehen hätten. Er wäre seit etwa 2 Jahren auch auf der Alb zu finden. Auch meine Erwähnung des sehr selten gewordenen Blauschwarzen Eisvogels sei für die Behörde äußerst wertvoll, weil diese das Aussterben des Schmetterlings mit vielen Maßnahmen versucht zu verhindern. Ich freue mich natürlich sehr darüber, dass meine Meldung ernst genommen wird.
Einige Tage später besuche ich den Alpenbockpfad bei Beuron erneut. Wieder finde ich den begehrten Käfer nicht. Schon will ich wieder zurück nach Höchenschwand fahren, entschließe mich aber, noch etwa 100 Meter weiter zu laufen. Da sehe ich ein Pärchen, das irgendetwas filmt und mich zu sich winkt. Sie haben eine Pflanze mit 8 Russischen Bären (auch bekannt als „Spanische Flagge“) entdeckt. Supernett, dass sie mich an ihrer Entdeckung teilhaben lassen. Der Russische Bär ist ein sehr attraktiver, tagaktiver Nachtfalter. Lange unterhalte ich mich mit dem freundlichen Paar, während sie filmen und ich fotografiere.
Selbstverständlich kommen wir auch auf den Alpenbock zu sprechen. Während ich der Meinung bin, bereits 14 Tage zu spät vor Ort zu sein, sind die beiden Filmer jedoch der Ansicht, dass die Zeit für den Alpenbock noch aktuell sei. Sie wollen sich erkundigen und mich informieren.
Am nächsten Tag fahre ich über die A81, um noch einmal die Stelle aufzusuchen, an der meine Fotokumpels (u.a. natürlich mein Spezi Peter) den Alpenbock vor 3 Wochen erwischt haben. Da klingelt mein Smartphone. Glücklicherweise habe ich eine Freisprechanlage: „Hier ist L., der Filmer von gestern. Ich habe mich erkundigt. Der Alpenbock ist in Beuron schon nicht mehr zu sehen, aber im Augenblick in der Nähe des Bad Uracher Wasserfalls sehr aktiv.“
Ich freue mich tierisch, fahre den nächsten Parkplatz an und programmiere mein Navi um. An einem kleinen Parkplatz in der Nähe des Wasserfalls bekomme ich (es ist Sonntag) gerade noch den letzten Stellplatz.
Aber wie es weitergeht, erfährst Du in meinem Bericht: „Alpenbock ohne Alpen – die Buchen sollst Du suchen“.
Sehr schön, lieber Ronald. Ausdauer und Geduld zahlt sich eben aus. Dann bekommt man die schönsten oder seltensten Tiere zu sehen. Die russischen Bären sehen ja toll aus, auch noch nie was von gehört. Klasse
LG Heidi
Liebe Heidi,
ja, ich dachte auch immer, ein russischer Bär hätte einen Ring durch die Nase und müsste immerzu tanzen.
Man lernt eben nie aus.
Liebe Grüße
Ronald