Bereits vor einem Jahr empfahl mir Natur- und Fotofreund Gerd einen Besuch im Hutewald Halloh und Urwald Sababurg. Mitte November entschließen Peter und ich uns, mal eben nach Nordhessen zu düsen und dem Hutewald Halloh hallo zu sagen.
Um 5:30 Uhr fahre ich Richtung Peter, der heute die Chauffage zum Hutewald Halloh und Urwald Sababurg übernehmen wird. Um 6:00 Uhr fahren wir bei ihm ab und sind kurz nach 9:00 Uhr am Hutewald Halloh angekommen. Es ist ein kalter Morgen. Wiese, Waldboden und Bäume sind von einer dünnen Reifschicht überzogen.
Wir sind fasziniert von den bis zu 300 Jahre alten Hutebuchen mit ihren bizarren Formen. Ein Hutewald (Hute = hüten) ist ein Wald, der als Weide für das Vieh genutzt wurde, das sich im Wald selber die Nahrung suchen musste. Dadurch wurde die nachwachsende Vegetation kurz gehalten, was wiederum zur Folge hatte, dass ein lichter Wald entstand, in dem die Nährbäume (Buchen, Eichen usw.) sehr groß und alt werden konnten.
Heutzutage muss der Hutewald wegen der fehlenden Beweidung von freiwilligen Naturschützern freigeschnitten und gepflegt werden. Das ist ausgerechnet heute der Fall. Etwa ein Dutzend Helfer wirbeln mit Motorsägen, Freischneidern und anderen Gerätschaften durch den Wald, so dass Peter und ich oft Geduld brauchen, um ein Motiv ohne Personen abbilden zu können.
Teilweise haben die Bäume inzwischen ihre maximal mögliche Lebenszeit überschritten und sind abgestorben. Das viele Totholz wiederum bietet Lebensraum für selten gewordene Pflanzen, Pilze und Tiere.
Ich entdecke und fotografiere einen noch nie gesehenen Pilz mit feinen Strukturen. Peter zeige ich den Pilz ebenfalls. Wir lichten auch andere Pilze ab, die jetzt, Mitte November noch einigermaßen ansehnlich sind. Als ich mich etwas später erneut dem weißen Pilz zuwenden will, ist er bis auf eine weiße Grundschicht verschwunden. Sind Peter oder ich versehentlich an den Pilz gekommen und haben ihn zerstört? Und um was handelt es sich bei dem seltsamen weißen Pilz? Peters und meine späteren Recherchen ergeben, dass es sich nicht um einen Pilz handelt, sondern um ein seltenes Phänomen, dessen Ursache vermutlich verborgene Pilze im Totholz sind: Das Haareis. Das erklärt auch das seltsame Verschwinden des „Pilzes“: Er ist einfach geschmolzen. Das Haareis ist ein äußerst seltenes, kompliziertes und nur sehr kurz anhaltendes Naturphänomen, bei dem Feuchtigkeit, die bei Temparaturen um 0° Celsius durch die Gasbildung des Myzels winteraktiver Pilze aus dem Totholz herausgedrückt wird und gefriert. Ein natürlicher Frostschutz für den Pilz und seinen Wirt, das Totholz.
Gegen Mittag entschließen Peter und ich uns zur Weiterfahrt vom überschaubaren Hutewald Halloh zum etwa 80 km entfernten Urwald Sababurg, der ebenfalls ein alter Hutewald ist.
Der Urwald Sababurg hat durchaus andere Dimensionen als der Hutewald Halloh. Er ist weitläufiger, die Eichen und Buchen sind noch größer und älter, nämlich bis zu 600 Jahre alt. Die markantesten Bäume haben hier Namen: Margarethe, Rapp-Eiche, Zyklopeneiche, Drillingsbuche, Kamineiche und Wappeneiche.
Drei farblich markierte Rundwege sind für die Besucher angelegt worden, wobei die interessantesten Bäume entlang des gelben und orangenen Rundwegs zu sehen sind. Beide Wege lassen sich ohne Umweg hervorragend kombinieren. Peter und ich folgen zuerst dem gelben Weg, der uns u.a. zur Kamineiche führt. Irgendwann stößt der gelbe Weg auf den orangenen Rundweg, der schließlich wieder auf den gelben Weg stößt und mit ihm gemeinsam zurück zum Parkplatz führt.
Wegen der Empfindlichkeit sind einige der uralten Bäume eingezäunt. Jedoch so, dass man sie noch gut fotografieren kann. Zum Schutz der Besucher sind ebenfalls einige Flächen gesperrt. Mehrere Schilder weisen auf die Gefahr von Astbruch hin, die bei diesem alten Baumbestand stets präsent ist. Zum Glück ist es heute ziemlich windstill.
Peter und ich fotografieren, was unsere Kameras hergeben. Gegen 16:00 Uhr treten wir die mehr als dreistündige Fahrt Richtung Heimat an. Im nächsten Jahr werden wir sicherlich noch einmal nach Halloh und Sababurg fahren, um z.B. bei Nebel die mystische Stimmung einzufangen, Pilze im September/Oktober zu fotografieren und seltenen Insekten mangels Pelz auf den Chitin-Panzer zu rücken.
Wie sagte mir Gerd? „Ein Besuch im Hutewald Halloh und im Urwald Sababurg lohnt sich immer!“.