Schon einige Zeit ist es her, dass ich vom De Wittsee, dem Rohrdommelprojekt und der Nette berichtet und meine dortigen Naturerlebnisse geschildert habe. Heute möchte ich von Familienplanung und Familienleben an der Nette und dem De Wittsee erzählen. Und das ist dem der Menschen gar nicht unähnlich.
Die Balz
Beginnen wir mit der Partnersuche. Wenn du dir in der Disco was anlachen willst, dann gehst du vermutlich nicht im Blaumann dort hin, sondern brezelst dich richtig auf. Positiv auffallen und Wirkung erzielen, ist die Devise.
So ist es bei den meisten Vögeln auch. Sie legen zur Balzzeit ihr Schlichtkleid ab und ein Prachtkleid an. Insbesondere die Männchen takeln sich auf, um bei den Damen Eindruck zu schinden. Sind sich zwei zugetan, dann geht es ans Balzen.
Unsere Haubentaucher z.B. schmeißen ihre Köpfe hin und her, führen Tänze auf, machen sich gegenseitig Geschenke in Form von Nistmaterial und führen ausgedehnte Körperreinigungs-Rituale durch. Denn wer will schon einen Haubentaucher ehelichen, der unter den Achseln nach Schweiß stinkt?
Der Nestbau an der Nette
Vorehelicher Verkehr ist allerdings tabu. Der Verlobte muss erst einmal beweisen, dass er es ernst meint und auch für die Familie sorgen kann. Dazu muss er gemeinsam mit der Auserkorenen das Nest bauen.
Das Problem ist, dass man nicht alleine ist. Auch die Blässhühner wollen nicht als Obdachlose ihren Nachwuchs zur Welt bringen. Da ist es von Vorteil, bei Abwesenheit der Bauherren, selbst ein wenig am fremden Nest herum zu werkeln und dann so zu tun, als wäre es das eigene Nest. So wechselt der Rohbau ständig den Besitzer. Meistens sind es die aggressiven Blässhühner, die letztendlich das Nest erobern und anfangen darin zu brüten.
Die Paarung
Ist die Dame des Nestes zufrieden mit dem gemeinsamen Werk, dann legt sie sich über das Nest, zum Zeichen, dass er jetzt „darf“. Nur hat unser Haubentaucher nicht immer gleich auf Kommando Bock, die Haubentaucherin zu besteigen. Da muss er so manches Mal zur vorgetäuschten Migräne greifen.
Es ist auch unangenehm, wenn die eheliche Zweisamkeit von 15 gaffenden Fotografen und ratternden Auslösegeräuschen der Kameras gestört wird. Das hat schon zu so manchem Coitus interruptus geführt.
Nun ja, so etwas zu beobachten ist m. E. besser, als sich auf RTL eine „hochwissenschaftliche“ Sendung anzusehen, in der in epischer Breite „wissenschaftlich“ untersucht und mit Experimenten „anschaulich“ versucht wird zu ermitteln, ob Hunde sich beim Sch… an der Nord-Süd-Achse des Magnetfeldes der Erde ausrichten. Solche Exkremimente sind m. E. wirklich voll sch… (heute, am 15.10.16, beim Schreiben dieses Berichtes schnell das Fernsehprogramm umgeschaltet).
Das Brüten
Und hier ein kleines Video von mir, dass den Nestbau, die Paarung und die Brut unseres Haubentaucher-Pärchens zeigt:
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Zurück zur Nette am Rohrdommelprojekt: Irgendwann aber haben unsere Haubentaucher unbemerkt ein fotografenfreies Schäferstündchen erwischt und innerhalb weniger Tage 5 Eier in das Nest gelegt . Etwa 28 Tage wird jetzt gebrütet. Immer abwechselnd. Einer brütet, der andere vergnügt sich beim Tauchen und Fische fangen.
Auch ich vergnüge mich. Ich fahre nach Höchenschwand und gehe von dort aus auf Fototour. Smaragdeidechsen, Orchideen, Schmetterlingshafte usw. sind meine Ziele (ich berichtete bereits darüber). Im Urlaub erreicht mich die Nachricht von Peter: Die kleinen Haubentaucher sind seit einigen Tagen geschlüpft! Ich habe noch in Höchenschwand zu tun, hoffe aber, dass ich bei meiner Rückkehr Ende Mai noch fotografieren kann, wie die Kleinen im Gefieder der Eltern sitzen. Deshalb stelle ich nach der mehr als 500 km weiten Heimfahrt nur die Koffer in mein Zimmer und fahre dann sofort die ca. 100 km weiter Richtung De Wittsee.
Die Aufzucht an der Nette
Hier erlebe ich, wie vier kleine Haubis im Tauchen und Fische fangen unterrichtet werden. Da fünf Eier bebrütet worden sind, muss inzwischen ein Ei bzw. Küken verloren gegangen sein.
Immer öfter schütteln die Elterntiere die Kleinen von ihrem Rücken herunter, damit sie bald auf eigenen Füßen stehen bzw. schwimmen.
Natürlich sind sie noch zu klein, um Fische zu fangen. Auch wenn sie als Nestflüchter sofort schwimmen und tauchen können. So werden sie also noch gefüttert. Die Fische werden ihnen, während sie auf dem Rücken eines Elternteils „reiten“, vom anderen Elternvogel „kredenzt“.
Manchmal bekommen sie keinen Fisch, sondern eine Feder zum Fressen gereicht. Die Feder erzeugt den Würgereiz, der zum Herauswürgen der unverdaulichen Nahrungsbestandteile führt.
In einem Nest, das die Haubentaucher begonnen hatten zu bauen und das die Blässhühner vollendet haben, sind kleine Blässhühner geschlüpft. Im Gegensatz zur Schwarz-weiß-Färbung ihrer Eltern, haben sie rötlich-gelbe, schön bunt wirkende Flaumfedern, durch die die rosa Kopfhaut schaut. Von hinten sehen sie aus, als hätten sie den gleichen Friseur wie Gildo Horn.
Ein Küken klettert aus dem Nest eine Art Rampe hinunter und lässt sich auf einem Seerosenblatt nieder. So bekommt es vor allen anderen das mitgebrachte Futter.
Ein anderes Blässhuhnpärchen hat bereits etwas größere Küken, die schon selbsttätig in der Nette schwimmen, aber noch mit Camberkrebs-Bröckchen versorgt werden.
Auch die Schwanenfamilie hat inzwischen Nachwuchs bekommen. Ebenso die Graugänse.
Die Fische dagegen kommen gerade in Paarungsstimmung.
Die Reiher berührt das alles nicht. Sie stehen im Rohrdommel-Projekt stundenlang auf einer Stelle und warten auf fette Beute.
Anfang Oktober fahre ich erneut zum De Wittsee. Das Bild hat sich gewandelt. Graugänse sehe ich keine mehr. Stattdessen haben die Nilgänse das Regiment übernommen.
Ein Trupp junger Zwergsäger durchstreift das Rohrdommelprojekt. Einige Grünschenkel stochern im Schlick nach Beute.
Auch Kiebitze sind eingetroffen. Ein ganzer Schwarm erhebt sich aus dem Rohrdommelprojekt. Die Kiebitze drehen ihre Runden, zeigen dabei ihre enormen Flugkünste und setzen sich wieder nieder.
Die Kormorane trocknen in der Sonne ihr Gefieder.
Unsere Haubentaucher beschäftigen sich mit größeren Küken. Es ist offenbar eine zweite Brut. Fiepend schwimmen die jungen Vögel hinter dem Elterntier hinterher und betteln nach Futter. Ab und zu bekommen sie einen Leckerbissen. Ein Jungvogel versucht, Fische zu fangen. Ein gefangener Fisch entgleitet ihm leider wieder. Da ist noch viel Übung notwendig. Das Elterntier fängt aber für das Junge einen Ersatzfisch.
Ich habe immer etwas Angst um die kleinen und großen Vögel, denn am Ufer der Nette stehen öfters Angler. Es ist für mich unbegreiflich, dass in diesem Schutzgebiet und dem doch sehr schmalen Flüsschen überhaupt geangelt werden darf. Wie schnell ist so ein Angelhaken verschluckt! Kürzlich noch habe ich an einem Teich eine Gans fotografiert, der noch die abgerissene Angelschnur aus dem Hals hängt.
Ich kann beobachten, wie sich zwei Junge im Nestbau üben. Alles will halt gelernt sein.
So geht die „De Wittsee-Saison“ für dieses Jahr langsam zu Ende. Spätestens im Februar werde ich wieder meine Erkundungstouren an Nette und Rohrdommel-Projekt starten.
Alle Berichte von der Nette und vom De Wittsee:
So richtig nett ist’s nur an der Nette – Naturbeobachtungen am De Wittsee
An der Nette wird’s noch netter: Familienplanung und Familienleben an Nette, Rohrdommelprojekt und De Wittsee
Die Wasserralle oder: Was kostet ein Foto
Kann eine Ente einen Frosch im Hals haben? – Schlemmen an der Nette
Super interessante Vogel Aufnahme aus dem Nettetal
LG Helle
Hallo Helle,
ja, dort ist es zu allen Jahreszeiten interessant.
LG
Ronald
Goldisch Deine Vogelkinderfotos. So nah habe ich sie noch nicht gesehen.
Meine Hochachtung
Hallo Bernd,
vielen Dank auch für diesen Kommentar!
Wegen deiner Seidenschwanz-Anfrage habe ich dir eine E-Mail geschrieben und auch dort noch etwas über den De Wittsee/die Nette erwähnt.
Liebe Grüße
Ronald
Hallo Ronald
… hast dich ja wieder richtig ins Zeug gelegt um diesen Bericht zu verfassen … ,, bisschen spät “ die kleinen bekommen auch schon bald junge .. :-))
natürlich weiß ich, dass du auch noch anderes zu tun und zu fotografieren hast .. …
Ich hoffe, dass wir uns dann im Februar an der Nette wiedersehen…
gr heinz
Hallo Heinz,
schön, wieder einmal von dir zu hören.
Ja, der Bericht kommt etwas spät. Aber ich habe an keinem Bericht so lange herumgebastelt, wie an diesem. Der Text war schnell geschrieben. Aber die Durchsicht von und Auswahl aus tausenden von Fotos war ein Horror…
Ich freu mich auch schon auf den Frühling an der Nette!
Liebe Grüße
Ronald