Bei einer Wildblumenführung auf dem Feldberg (siehe hier: Dorf am Himmel: Schlemmermeilenlos überleben mit Insekten und Wildblumen) lerne ich Gerd kennen. Gerd fragt mich, ob ich Schmetterlingshaft kenne. Ich verneine, denn ich kenne (zum Glück nur vom Hörensagen) lediglich Einzelhaft und Beugehaft. Das Übliche halt. Oder hast du, lieber eifelpanorama-Fan, schon einmal von der Schmetterlingshaft gehört? Und damit sind wir nicht allein. Denn nur wenige Menschen haben eine Vorstellung von der Schmetterlingshaft. Geschweige denn, sie in freier Natur beobachtet.
Natürlich recherchiere ich intensiv und finde heraus, dass es diese schönen Insekten im Südwesten Deutschlands gibt. Z.B. am Badberg und in einem Naturschutzgebiet nahe der Schweizer Grenze, nicht allzu weit von meiner Zweitheimat Höchenschwand entfernt.
Warm muss es sein, damit diese seltsamen Insekten fliegen. Von Mai bis August können sie beobachtet werden. Diese Netzflügler sind weder Schmetterling (obwohl sie so aussehen) noch Libelle (obwohl sie sich so verhalten). Vor allem die Libellen-Schmetterlingshaft (Libelloides coccajus) ist bestechend schön.
Anfang Mai fahre ich mit zwei Fotofreunden nach Höchenschwand. Allerdings gerät unsere Planung etwas durcheinander, sodass wir keine Zeit mehr haben, zu dem betreffenden Naturschutzgebiet zu fahren.
Nachdem die Freunde wieder heimwärts fahren, nutze ich den einzigen warmen Tag (22° Celsius), der laut Wetterbericht noch verbleibt und suche das Gebiet auf.
Schon bald fliegt ein Insekt an mir vorbei. Ich erkenne sofort: Libellen-Schmetterlingshaft! Vielleicht ist sie auf der Jagd. Schmetterlingshafte haben keinen Rüssel, mit dem sie Nektar saugen, sondern sie fangen im Flug Insekten und zerkleinern sie mit ihren kräftigen Kauwerkzeugen – wie Libellen.
Mit der Kamera renne ich dem Insekt hinterher, das plötzlich verschwunden ist. Mist! Das war d i e Gelegenheit, und ich habe sie vermasselt!
Enttäuscht aber mit wachem Auge gehe ich das Gebiet sorgfältig ab. Einige Knospen von der Bocksriemenzunge (eine recht große Orchidee) sehe ich. Andere Orchideen, die hier in großer Zahl vorkommen sollen, sehe ich jedoch noch nicht. Aber plötzlich bemerke ich überall flatternde Libellen-Schmetterlingshafte!
Ich beobachte sie nun erst einmal genau, bevor ich mich ihnen mit meiner Kamera nähere.
Die Tiere drehen sich, wenn sie einen Halm angeflogen haben, mit dem Rücken zur Sonne. Nach 1-2 Sekunden klappen sie die Flügel zusammen. In dieser Zeit muss ich nahe genug heran sein, den Bildausschnitt bestimmen, fokussieren und auslösen. Das ist richtig Stress! Aber einige Exemplare kann ich doch noch gut ablichten.
Von hinten kann man sich den Tieren relativ gut nähern. Von vorne ist es schwer, denn dann sehen sie einen viel eher und fliegen davon.
Die Männchen haben am Hinterleib Zangen, mit denen sie die Weibchen im Nacken packen. Genau wie die Libellen-Männchen. Nur gibt es kein Paarungsrad bei den Schmetterlingshaften.
Schon bald kann ich ein Pärchen beobachten, das sich zur Paarung auf einem Halm niedergelassen hat. Ein Glücksfall.
Nachdem Monsieur fertig ist, fliegt er davon, während Madame noch einige Zeit erwartungsvoll am Halm sitzen bleibt. Offensichtlich ist sie noch nicht auf ihre Kosten gekommen…
Ich gehe nun das schwierige Unterfangen an, die Insekten von vorne zu fotografieren, was, wie gesagt, nicht so leicht ist.
Langsam bewölkt sich der Himmel, und immer mehr Schmetterlingshafte setzen sich auf den Halm ihres Vertrauens. Die Flügel bleiben ausgeklappt und ich habe alle Zeit der Welt, mich vorsichtig von hinten zu nähern und zu fotografieren.
An vielen Pflanzen entdecke ich schaumartige Gebilde, die wie Speichel aussehen. Es ist die sogenannte „Hexenspucke“ oder auch „Kuckucksspucke“. Diese wird von der Schaumzikade erzeugt und bildet gewissermaßen das Nest der Schaumzikaden-Larven, die darin genug Feuchtigkeit und die benötigte Temparatur für ihre Entwicklung haben.
Gerade will ich den Rückweg zum Auto antreten, da flattert etwas an mir vorbei und setzt sich auf ein Exemplar des hier reichlich blühenden Wiesensalbeis: Ein wunderschöner Edelfalter! Es ist wohl der edelste unter den heimischen Faltern, ein herrlicher Schwalbenschwanz!
Den muss ich natürlich auch noch ablichten.
Die zweite Schmetterlingshaft-Art, die bei uns im Süden vorkommt, ist die Langfühlerige Schmetterlingshaft (Libelloides longicornis). Sie ist nicht ganz so schön, wie die Libellen-Schmetterlingshaft. Ich habe sie in Natura auch bis jetzt noch nicht gesehen. Aber wenn, dann bekommst du, lieber eifelpanorama-Leser, es als erstes mitgeteilt!
Nachtrag: Inzwischen habe ich die Langfühlerige Schmetterlingshaft gefunden und fotografiert. Den Bericht findest Du hier: „Der Würger vom Kaiserstuhl und die Haft – Langfühlerige Schmetterlingshaft und Neuntöter„.
Wenn Du auch besonderen Objekte gefunden hast, Solltest Du Dir den Fundort notieren. Eine komfortable Möglichkeit beschreibe ich hier: „Fundorte notieren – App statt Notizbuch„.
Hallo!
Nachdem ich im Fernsehen in einem Naturfilm über Frankreich das erste Mal Schmetterlingshafte gesehen habe und ich sofort entzückt war von diesen wunderschönen, interessanten Geschöpfen,
bin ich beim googeln auf Ihre Seite gestoßen.
Das ist ein wundervoller, unterhaltsam und informativ geschriebener Artikel. Ich bin begeistert! Danke!
Viele Grüße aus dem Westerwald
Patricia Scheu
Hallo Patricia,
vielen Dank für Ihren schönen Kommentar!
Ja, die Haften sind wirklich faszinierend. Da sie hierzulande so selten sind, kennt sie auch kaum jemand.
Bleiben Sie meiner Website treu.
Viele Grüße
Ronald
…. nachdem, was ich so gesehen hab,hattet ihr drei ja eine schöne Woche. Auch, dass du noch deinen “ freien “ Tag mit dem Schwalbenschwanz Foto krönen konntest ist erfreulich.
Dein Bericht ist wie alle bisherigen, wieder amüsant und lehrreich verfasst und mit den hervorragend guten Fotos garniert.
gr heinz
Hallo Heinz,
vielen Dank für deinen Kommentar! Ja, wirklich eine tolle Woche. Aber auch die Woche danach, wo ich allein in Höchenschwand war, war äußerst erlebnis- und erfolgreich. Ich werde berichten. Natürlich hoffe ich, dass wir uns demnächst beim „Amok-Knipsen“ wieder treffen.
Liebe Grüße
Ronald