Heute soll ein wunderschöner, sonniger Tag werden. Aber kalt ist es. Und im nahe gelegenen Hohen Venn ist es noch kälter. Und dort liegt Schnee. Ein Grund für mich, frühmorgens im Dunkeln loszufahren, um noch vor Sonnenaufgang am Parkplatz Nahtsief im Brackvenn anzukommen.
Der Nahtsief liegt kurz hinter Mützenich, Richtung Eupen auf belgischem Gebiet in der Nähe des Naturzentrums Ternell. Kurz vor sieben Uhr treffe ich am Nahtsief ein. Jetzt heißt es: GPS-Empfänger am Smartphone einstellen (damit ich später den Fotos die genaue Position zuordnen kann), wärmende Jacken und Handschuhe anziehen, Fotoausrüstung schnappen und hinüber über die Nationalstraße N67 zum Hellenketel stapfen.
Der Hellenketel (Höllenkessel) ist ein Palsa (oder auch „Lithalsen“). Palsen sind eiszeitliche Relikte: ehemalige Eislinsen mit annähernd ovaler/runder Form, umschlossen von einem mehr oder weniger ausgeprägten, natürlichen Wall. Sie kommen ausschließlich im Moor vor. Wenn du auf deinem Computer Google Earth startest und nach „Mützenich“ suchst, kannst du die Form der Palsen westlich von Mützenich gut erkennen.
Der Höllenkessel macht seinem Namen alle Ehre. Denn trotz der Handschuhe sind meine Hände bereits nach kurzer Zeit so steifgefroren, dass alle Feinmotorik verloren gegangen ist und ich die Kamera kaum noch auf das Stativ montiert bekomme. Noch schwieriger gestaltet sich das Anbringen des Halters für die Scheibe des Grauverlauffilters. Aber da muss ich durch. Irgendwann ist die Kälte erfahrungsgemäß ja auch überwunden und die Finger werden wieder warm. Dieses Wissen hält meine Moral aufrecht.
Von Freunden habe ich gegen die Kälte Hand-/Taschenwärmer bekommen. Die habe ich natürlich vergessen mitzunehmen.
Über zwei Stunden bleibe ich am Hellenketel und fotografiere. Dann setze ich meinen Weg auf dem schmalen, verschneiten Holzsteg fort. Wo der Steg links und rechts aufhört, ist oft nicht zu erkennen. Mehrfach muss ich die schmerzliche Erfahrung machen, dass ich mit einem Bein neben den Steg gerate und mich einseitig einen guten halben Meter tiefer befinde. Rechts ist das nicht so schlimm aber links daneben treten mag meine neue Hüfte überhaupt nicht…
Jedoch werde ich für diese Pein durch den Anblick der wunderschönen winterlichen Moorlandschaft entschädigt.
Der künstliche Wasserrückstau, der zur Überschwemmung des Pfeifengrases (damit sich torfbildende Pflanzen wieder ausbreiten können) und zur Verringerung der Hochmoorflächen-Erosion angelegt wurde, ist zugefroren. Die Eiszapfen hängen malerisch von den Wasserrinnen herunter.
Die steil abwärts führenden Steg-Segmente und die Treppen am Wasserrückstau muss ich vorsichtig nehmen, damit ich nicht ausrutsche und mein Titan/Keramik-Implantat nicht vorzeitig in den Hüftenhimmel kommt.
Über die Äste der Bäume hat sich eine Eisschicht gezogen, deren Glanz man im Gegenlicht der Sonne bewundern kann.
An einigen Palsen hinter dem Wasserrückstau kann ich deutlich den für diese Eiszeitrelikte typischen Begrenzungswall erkennen.
Der Holzsteg verläuft nun entlang der verbotenen D-Zone, die aus Naturschutzgründen (Tritt- und Störschäden) grundsätzlich nicht betreten werden darf. Es gibt die Zonen A-D. C-Zonen dürfen nur mit einem Naturführer, B-Zonen nur unter bestimmten Voraussetzungen (keine Brandgefahr und nur außerhalb der Brutzeit 15.03.-15.06.) und A-Zonen frei begangen werden.
Durch den Schnee ist der Abzweig vor der N67 zurück zum Hellenketel nicht zu erkennen. Ein Wanderer, der vor mir ging, kehrt deshalb zurück. Ich dagegen überquere die N67 und gehe den schmalen Pfad am Feuerwachturm vorbei Richtung Nahtsief. Dieser Weg führt mich irgendwann wieder zurück auf den Pfad, den der Wanderer und ich verpasst hatten.
So gelange ich gegen Mittag wieder zurück zum Hellenketel, wo ich einen anderen Wanderer treffe, der mir später ein Foto zusendet, dass er heimlich von mir gemacht hat.
Während ich am Vormittag „Im Platten Venn“ war, durchstreife ich nachmittags den Teil des Brackvenns, der sich „Nahtsief“ nennt. Wegen der nigelnagelneuen Hüfte gehe ich nicht den gesamten Rundweg, sondern nur vom Parkplatz bis zum Biberteich und zurück. Bei meiner letzten Wanderung waren die Stege des restlichen Rundwegs dermaßen marode, dass das Begehen bei dieser Witterung viel zu gefährlich ist.
Der Weg durch das Nahtsief-Gebiet ist schwieriger zu bewältigen, weil es immer wieder durch Senken und über Hügelchen geht. Auch hier gerate ich öfters neben den Steg.
An einem Palsen wird darauf hingewiesen, dass hier Fieberklee, Sonnentau, Beinbrech (Moorlilie) und Wollgras wachsen.
Langsam mache ich mich auf den Rückweg zum Parkplatz. Die Sonne steht schon tief und der Mond ist aufgegangen.
Nahtsief (Brackvenn) vor Sonnenuntergang
Bevor ich nach Hause fahre, gehe ich noch einmal hinüber zum Hellenketel, um dort den Sonnenuntergang auf‘s Silizium zu bannen.
Die komplette Runde kannst du hier sehen und in der Kopfzeile der Karte als GPX-Datei herunterladen:
Die Tour möchte ich auch einmal unternehmen!
Kurt Claßen
05.04.2016
Lieber Kurt,
da musst du vermutlich noch bis Dezember warten – andererseits ist das Venn zu jeder Jahreszeit schön und hat seinen Reiz.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Erwandern der Natur!
Liebe Grüße
Ronald
Ein Tag im Brackvenn, frieren, genießen, fotografieren – das muss man erst mal so bringen. Und noch Zeit für eine Unterhaltung, wo die Minuten doch so wichtg. 😉
Bin erfreut von Ihrem interessanten lockeren Bericht; sehr schöne Wintermotive und Details – weiter so und allzeit gutes Licht !
Liebe Grüße, Peter
Hallo Peter,
lieben Dank für den positiven Kommentar und die guten Wünsche!
Im Augenblick treibe ich mich viel an den hiesigen Seen und vor allem am Niederrhein herum. Haubentaucher und andere Wasservögel sind das Ziel. Und dann fangen jetzt die Küchenschellen und Narzissen an zu blühen – der fotostressige Frühling beginnt!
Jetzt werde ich mir noch einmal die stimmungsvollen Bilder ansehen, die ich gerade parallel per EMail erhalten habe 🙂 .
Liebe Grüße aus der Nordeifel
Ronald
Lieber Ronald!
Traumhafte Aufmahmen, zum Einrahmen schön!!!
Aber Dein Schicksal so herauszufordern. Mensch, pass auf Dich auf, damit Du noch lange so tolle Fotos und Berichte machen kannst! Gönn Deinem Schutzengel auch mal ne Pause.
Liebe Grüße vom Buchbinder
Liebe Stephanie,
vielen Dank für deinen positiven Kommentar!
Es freut mich natürlich sehr, dass dir meine Berichte und Bilder so gut gefallen.
Dass ich ab und zu neben den Steg geraten bin, hört sich dramatischer an, als es war. Jedenfalls aus meiner Sicht. Erika ist da, wie du, anderer Meinung…
Meinem Schutzengel gönne ich trotzdem keine Pause. Denn Gefahren lauern überall. Und wer rastet, der rostet. Am Ende ist er dann nicht fit, wenn er wirklich gebraucht wird…
Hatten Erika und ich dir schon gesagt, dass der von dir kreierte/gebundene Terminkalender für das aktuelle Jahr wieder super angekommen ist?
Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg und Begeisterung für deine Buchbinderei.
Liebe Grüße (auch von Erika!)
Ronald
Lieber Ronald,
ich habe mich sehr über deinen Bericht und die traumhaft schönen Bilder über das Hohe Venn gefreut. Auch wir gehen regelmäßig dort spazieren und sind jedesmal von dieser landschaftliche Schönheit beeindruckt. Deine Winterbilder sind natürlich für uns besonders schön, weil wir noch nie so früh am Morgen oder spät am Abend dort gewesen sind .
Liebe Grüße auch an Erika von Irmgard und Horst
Liebe Irmgard, lieber Horst,
lieben Dank für euren Kommentar!
Wegen solcher Bilder muss man wirklich früh aufstehen und den inneren Schweinehund überwinden um freiwillig in die Kälte hinauszugehen. Und nachmittags/abends auch noch lange in der Kälte zu bleiben. Aber morgens ist es am schlimmsten…
Letztlich wird man aber durch die Ergebnisse entschädigt.
Liebe Grüße an euch Beide (auch von Erika!)
Ronald
Hallo Ronald,
vielen lieben Dank für die super tollen Fotos und den Bericht. Jetzt brauche ich nicht in die Kälte um dieses schöne Naturschauspiel anzuschauen, sondern sitze gemütlich im Warmen und denke klasse Bilder. 🙂 Der Ausflug hat sich echt gelohnt. Und kann dann im Sommer mir das mal in natura anschauen.
Ne, ehrlich toll gemacht, wie fast alles von Dir.
Liebe Grüße aus dem kalten Schwabenland auch an Eka
Susi
Hallo Susile,
für deinen Kommentar vielen Dank! Schön, dass sich mein Ausflug für dich gelohnt hat.
Leider kannst du dir das schöne Naturschauspiel im Sommer nicht in Natura ansehen – da liegt nämlich kein Schnee im Venn…
Hattest du vor, im Sommer in die alte Heimat zu reisen? Oder lieber zum Feiern nach Höchenschwand?
Du schreibst, dass ich das toll gemacht habe, wie fast(!!) alles. Sollte es wirklich etwas in meinem Leben geben, was ich nicht toll gemacht habe? Dann solltest du mir das persönlich mitteilen und vor allem vor Erika verschweigen 🙂 .
Ich wünsche dir viel Erfolg für deine aktuellen Vorhaben, über die wir vor einigen Tagen gesprochen haben!
Liebe Grüße aus dem Rheinland in das kalte Schwabenländle
Ronald
Lieber Herr Wasserrab,
wieder mal superschöne und sehr gelungene Aufnahmen, toll!!! Sie sind ja ganz schön mutig, sich mit Ihrer neuen Hüfte schon solche Strapazen anzutun, aber es scheint ja alles gut gegangen zu sein, trotz ein paar „Fehltritten“. Ihren humorvollen Bericht über die Op und die anschließende Reha habe ich mit Begeisterung gelesen – herrlich.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude und gutes Gelingen bei Ihrer „Arbeit“, über deren Ergebnis ich mich immer sehr freue.
Ein schönes Wochenende, wenn auch bei grausligem Wetter, und herzliche Grüße, bitte auch an Ihre Frau.
M. Stockhecke
Liebe Frau Stockhecke,
über Ihren Kommentar habe ich mich sehr gefreut! Schön, dass Ihnen die Berichte und Fotos so sehr gefallen.
Meine Hüfte braucht die beschriebenen Herausforderungen. Schlecht für die Hüfte ist das genaue Gegenteil, nämlich langes Sitzen. Deshalb ist das Bearbeiten der Fotos und das Schreiben der Berichte viel anstrengender für das neue Teil, als das Laufen durch die Botanik. Zugegeben, die beschriebenen Fehltritte sind auch nicht unbedingt optimal…
Für Ihre guten Wünsche bedanke ich mich besonders!
Die Grüße an meine Frau werde ich gerne ausrichten. Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße aus der usseligen Rureifel in das Bergische Land
Ihr
Ronald Wasserrab
Hallo, lieber Ronald,
aufgrund Deiner traumhaften Winteraufnahmen, die
ich mir begeistert angeschaut habe, wirst Du von mir
zum „KÖNIG DES BRACKVENNS“ ernannt!
Bleibe weiterhin sauber und sei herzlichst gegrüßt
von Deinem Freund & Alt-Badener
Klaus aus Kölle
Edler Ritter vom Orden Lafayette,
es freut mich, dass dir die Fotos gefallen, obwohl sie nicht aus Baden sind…
Um Schnee zu sehen, brauchst du als Wahl-Kölner also nicht mehr bis hinter Karlsruhe zu fahren. Ein kurzer Trip nach Westen reicht.
Liebe Grüße (auch an das Ritterfräulein)
Der König vom Venn