Über den Mauerläufer im Rheintal informierte mich Karl-Heinz bereits vor Weihnachten. Allerdings war ich da schon im weihnachtlichen Orgelvorbereitungs-Stress und habe die Info bald wieder vergessen…
Am zweiten Weihnachtstag telefoniere ich mit meinem französischen Fotofreund Florian (siehe: „Höchenschwand 2023 – Erlebnis pur“), der zum Mauerläufer bei Colmar fahren will. Und einen Tag später ruft Klaus mich an, ob ich Lust hätte, den Mauerläufer im Rheintal zu fotografieren. Er hätte die Meldung gesehen, wüsste aber nicht genau, wo er zu finden sei.
Mein Jagdtrieb ist geweckt. Eine kurze Recherche ergibt, dass zwei Mauerläufer sich ins Rheintal verlaufen haben. Einer bei Bonn und einer bei St. Goar. Letzterer auf der Burg Rheinfels. St. Goar ist zwar doppelt so weit wie Bonn von mir entfernt, aber in St. Goar kommt man offensichtlich näher an den Vogel heran.
Also verabreden Klaus und ich uns für 8 Uhr in Weilerswist, von wo wir gemeinsam mit meinem Pkw Richtung Mauerläufer brettern.
Um 9:15 Uhr kommen wir auf dem Parkplatz vor der Burg Rheinfels an und sehen bereits einige Fotografen auf der Brücke zur Burg. Sogar aus Berlin ist ein Fotograf angereist, um die Rarität abzulichten, die sich eigentlich im alpinen Hochgebirge aufhält und bis in Höhen von 3500 Metern brütet. Nach einer kurzen Erkundigung gehe ich zurück zum Auto, um meine Kamera mit dem Teleobjektiv zu holen. Als ich mich umdrehe, sind alle Fotografen, einschließlich Klaus verschwunden.
Das kann nur eins bedeuten: Die haben den Vogel entdeckt. Es hätte ja auch mal einer zu mir herüberrufen können… Schnell trabe ich über die Brücke und entdecke den Fotografenpulk in einer Nische, wo sie den Mauerläufer durch ein Ruinenfenster an einer Wand fotografieren. Leider ist in der engen Nische kein Platz mehr für mich.
Aber der Vogel hat Mitleid mit mir. Er fliegt an die große Burgmauer und sucht dort weiter nach Insekten in den Mauerspalten und -ritzen. Da ist meine große Stunde gekommen: Ich lasse die Kamera rattern wie ein Maschinengewehr. Knapp fünf Minuten lang. Dann fliegt der Mauerläufer davon. Es ist 9:25 Uhr.
Wir sind also keine Minute zu früh hier angekommen. Fünf Minuten später, und wir wären vergeblich die 160 km hierhin gefahren.
Immer mehr Fotografen trudeln ein. Wir alle warten auf die Rückkehr des Protagonisten. Leider ist heute der Zugang zum Burginneren geschlossen, so dass unser Aktionsradius für die Suche nach dem Tier nur sehr begrenzt ist.
So vertreiben wir uns die Zeit mit Fotografendeutsch und Fotografenlatein, mit ernsten und weniger ernsten Gesprächen. Die Frage steht im Raum, ob Klaus und ich noch einmal morgen dem Mauerläufer einen Besuch abstatten sollten.
Morgen soll schlechtes Wetter sein, und ich gebe zu bedenken: „Ich muss heute Abend Gans mit Grünkohl essen. Das heißt, eigentlich ist es keine Gans mehr, sondern nur noch eine Halb. Aber ich weiß nicht, ob mich der Grünkohl morgen in Ruhe fotografieren lässt…“. Gestern Abend habe ich nämlich vorsichtshalber auf den Grünkohl verzichtet, was sich heute auszahlt.
Inzwischen ist es bereits nach 11 Uhr und der Mauerläufer mauert noch immer. Klaus und ich gehen zum Aussichtspunkt der Burg, von dem aus man einen schönen Überblick über den Rhein und in Teile der Burg Rheinfels hat.
Trotz des extremen Rheinhochwassers ist die Fähre in Betrieb, was uns wundert. Denn einige Straßen und Häuser sind bereits nicht mehr trockenen Fußes zu erreichen.
Wir können die Burgen „Katz“ und „Maus“ auf der anderen Rheinseite sehen. Vielleicht ist der Vogel dort hinübergeflogen? Eine Wolkenlücke lässt die Sonne durch und die Burg Maus (früher Peterseck) erstrahlt im Sonnenlicht. Die Burg „Katz“, die eigentlich Burg Neukatzenelnbogen heißt, bleibt dagegen im Schatten.
Es sind bereits 14 Uhr, und immer mehr gefrustete Fotografen streifen vergeblich mit ihren großen, langbrennweitigen Objektiven durch den Burghof. Tja, nur der frühe Fotografenwurm fängt den Vogel…
Natürlich erregen die Fotografen mit ihren großen Tüten Aufsehen bei den Hotelgästen. Viele kommen auf uns zu und wollen, vorsichtshalber ihre Handys zückend, wissen, was wir denn da fotografieren. Ja, die komischen Vögel warten auf einen seltenen Vogel…
Gegen 15 Uhr frage ich Klaus: „Soll ich noch was in die Parkuhr schmeißen oder willst Du nach Hause?“
„Ich bleibe noch gerne. Aber musst Du nicht nach Hause, die Gans essen?“
„Die läuft mir nicht mehr weg…“
Also bleiben wir noch bis es anfängt zu dämmern. Der Mauerläufer lässt sich jedoch nicht mehr blicken.
Am nächsten Morgen erreicht mich die Nachricht von Andrea und Werner, die gestern vergeblich auf den Vogel gewartet haben, dass sie ihn heute endlich erwischen konnten.
Ich bin gespannt, wie lange unser Freund, der Mauerläufer, noch Burg Rheinfels als winterlichen Schlafplatz nutzen wird, bevor er wieder ins Hochgebirge fliegt, um dort für Nachwuchs zu sorgen.
Hallo Ronald,
also- ich bin sprachlos-gratuliere!
Welch ein Glück , daß sich manche Vögel mal verfliegen.
Wie meine Rothalsgans oder der Waldrapp.
Hallo Bernd,
Danke! Ja, das stimmt. Es waren sogar mindestens 2 Mauerläufer im Rheintal. Der/die anderen bei Bonn. Aber zu weit weg, um sie vernünftig ablichten zu können. Der Kollege in St. Goar wurde vorigen Sonntag letztmalig gemeldet. Der am Drachenfels scheint noch dort zu sein.
Liebe Grüße
Ronald
Herzlichen Glückwunsch zu der tollen Sichtung und den gelungenen Bildern lieber Ronald. 🙂
Ich hatte auch schon von der Seltenheit gelesen, die sich da gerade im Mittelrheintal herumtreibt.
Dass es bei Bonn auch einen geben soll, das wusste ich gar nicht. Ob ich den Weg zur Burg mal auf mich nehmen soll … ich bin noch unschlüssig. 🙂
LG Frauke
Hallo Frauke,
vielen Dank! Ja, war ein tolles Erlebnis!
Liebe Grüße und ein glückliches 2024
Ronald