Während Du, lieber Leser, vielleicht eine heiße Nacht verbracht hast, bin ich für Dich an eisige, dunkle Orte gefahren, um unvergessliche Nächte ohne Ehefrau zu erleben. Ich will nämlich für Dich per Astrofotografie die Sterne vom Himmel holen.
Nächte, die sich für die Astrofotografie eignen, sind sehr rar. Sie müssen mond- und wolkenlos sein und es darf kein Wind zu verwackelten Aufnahmen führen. Zudem braucht man einen Ort, der möglichst wenig Lichtverschmutzung aufweist. Da bestimmte Himmels-Objekte nur zu bestimmten Zeiten sichtbar sind, erfordert dies eine sehr genaue Planung. Wie Du diese bewerkstelligst, kannst Du in folgendem Bericht erfahren: Milchstraßenfotos planen – PlanIt! und andere Werkzeuge.
So mache ich mich also mit meiner Ausrüstung auf in die dunkle Nacht: Dick eingepackt in drei Hosen und zwei Fleece-Jacken, über die ich noch den Winter-Anorak gezogen habe. Die Schwachstellen sind die Hände. Um die Kamera zu bedienen, kann ich keine dicken Handschuhe anziehen, sondern muss mit dünnen Reiterhandschuhen vorlieb nehmen.
Das Drama kann also seinen Lauf nehmen.
Von der Autoheizung noch gut aufgewärmt, beginne ich am Zielort mit der Aufstellung der Ausrüstung für die Astrofotografie. Licht spendet mir meine Stirnlampe, die ich auf blendfreies Rotlicht stellen kann. Als erste Übung versuche ich, die Plejaden zu fotografieren. Mit bloßem Auge lassen sie sich gut ausmachen, mit der Kamera leider nicht.
Durch den Sucher Sterne zu sehen ist vollkommen sinnlos. Also beginne ich die Suche mit der Live-View-Funktion über den rückwärtigen Bildschirm der Kamera. Endlich habe ich das Objekt meiner Begierde gefunden. Jetzt geht es ans Scharfstellen. Dazu muss ich das Live-View-Bild vergrößern und versuchen, den richtigen Schärfepunkt zu finden. Kurz vor dem Ziel schaltet sich der Bildschirm ärgerlicherweise ab und ich muss alles wieder mit den inzwischen schon klammen Fingern neu einstellen. Immer kurz vor dem Ziel passiert irgendetwas: Das Gummiband der Stirnlampe rutscht über meinen Kopf hinweg und nimmt die Mütze mit, das Live-View schaltet sich aus, das Fernauslöser-Kabel löst sich aus der Kamerabuchse, der Fokus verrutscht, die Kamera verliert das Objekt aus dem Blickfeld usw. usw. Astrofotografie ist der reine Nervenkrieg! Und die Finger werden kälter und kälter!
Pipi kann Papa auch nicht machen, denn ich bin zwar alleine, aber mit den klammen Fingern ist es zwecklos, die gefühlt 25 Reißverschlüsse meiner übereinander gezogenen Hosen zu finden und zu öffnen…
Dummerweise dreht sich die Erde unter meinen Füßen ständig weiter. Dadurch bleiben die Sterne nicht an einem Ort stehen, sondern ziehen ihre Bahn hinaus aus dem Blickfeld meiner Kamera. Und ich brauche doch von jedem Objekt, das ich fotografieren möchte, zwischen 100 und 200 Aufnahmen! Da die Belichtungszeit relativ kurz gehalten werden muss (sonst gibt es wegen der Erdrotation keine punktförmigen Sterne, sondern strichförmige), benötige ich hohe ISO-Zahlen, was wiederum das Rauschverhalten der Kamera negativ beeinflusst. Mit Hilfe der vielen Astrofotografie-Aufnahmen kann nämlich eine (kostenlose) Spezialsoftware später das enorme Bildrauschen heraus rechnen, und übrig bleibt die reine Bildinformation.
Jetzt habe ich schon etwas Übung und fange den Orionnebel ein. Das geht relativ gut, ich finde ihn schnell. Allerdings bleiben die anderen oben beschriebenen Schwierigkeiten (Fokus, Stirnlampe, Fernauslöser-Kabel, Hosen usw.). Inzwischen kann ich beobachten, wie sich auf allen meinen Utensilien und auch auf der Gegenlichtblende des Objektivs eine dünne Raureifschicht bildet. Um die Optik vor Tau- und Raureifbildung zu schützen, habe ich glücklicherweise mit einer Heizmanschette vorgesorgt.
Schließlich traue ich mich sogar an die Andromeda-Galaxie heran. Mit dem Fernglas finde ich sie schnell, dafür dauert die Suche mit der Kamera ungleich länger. Eine Zieleinrichtung (Leuchtpunktsucher) wäre hier enorm hilfreich.
Während andere Astrofotografen mit ihren riesigen Spiegelteleskopen protzen, fotografiere ich mit einem kleinen 70-200 mm-Telezoom an der Cropkamera.
Nach 6 Stunden in der eisigen Kälte mache ich mich völlig durchgefroren, mit vollem Speicherchip und voller Blase wieder auf den Heimweg.
Die Schlafpause gestaltet sich kurz, denn ich bin natürlich gespannt auf das Astrofotografie-Ergebnis der vergangenen Nacht und begebe mich ungeduldig an die Bearbeitung der Bilder.
Während im Winter Orion, Plejaden und Andromeda gute Anfänger-Objekte für die Astrofotografie sind, ist es im Frühjahr und Sommer Zeit für die Milchstraßenfotografie.
Zuerst versuche ich, die Milchstraße über der Kapelle in Höchenschwand zu fotografieren. Leider ist die Lichtverschmutzung durch Waldshut und Zürich im Südosten dermaßen groß, dass es später sehr schwierig wird, das Zentrum der Milchstraße in der Bildbearbeitung einigermaßen zur Geltung zu bringen. Nervig ist auch der Flugverkehr aufgrund der Nähe zum Flughafen Zürich-Klothen.
Im Frühling sind übrigens solche Milchstraßen-Panoramen leichter zu erstellen als im Sommer, weil der Milchstraßenbogen im April/Mai/Juni am Beginn der dunklen Nacht „flacher“ am Himmel steht.
Sebstverständlich reizt es mich, das Milchstraßenzentrum einmal über Höchenschwand zu fotografieren. Erst gegen 2:30 Uhr in der Nacht ist diesmal der Himmel wolkenfrei und von meinem Standort aus das Milchstraßenzentrum genau über Höchenschwand zu sehen.
Natürlich habe ich das vorher mit meiner Planungs-App (PlanIt!) genau ausgerechnet und geplant. Die beiden obigen Aufnahmeserien liegen zeitlich etwa 23 Minuten auseinander, weshalb das Milchstraßenzentrum über Höchenschwand im zweiten Bild durch die Erdrotation bereits „weitergewandert“ ist. Auch die Kühlturmwolke des Kernkraftwerks Leibstadt (Schweiz), die im ersten Bild links neben der Höchenschwander Kirche zu sehen ist, hat sich inzwischen verzogen.
Auch im Hohen Venn versuche ich mein „Milky Way“-Glück. Auf einem Holzbohlenweg an einem Palsa nehme ich einsam Aufstellung. Da bin ich aber wohl auf dem Holzweg. Ständig werde ich von später eintreffenden Fotografen gestört. Nicht nur das. Sie leuchten mir mit ihren Lampen dauernd ins Bild. Außerdem tragen leider die wenigsten blendfreie Rotlichtlampen, so dass meine Augen oft geblendet werden und sich erneut an die Dunkelheit gewöhnen müssen.
Obiges Bild kann durch Betätigung des Schiebers einmal mit und einmal ohneFlugzeugspuren dargestellt werden (einzeiliges Panorama aus 5 Hochformatfotos 20 mm Brennweite (Vollformat), Blende 1.8, ISO 3200, je 15 Sekunden Belichtungszeit)
Bei nächster Gelegenheit suche ich mir einen landschaftlich zwar nicht so attraktiven, jedoch dunkleren und (zumindest in der kalten, bzw. coronabehafteten Zeit) einsameren Ort tief in der Eifel. Hier versuche ich mich erneut in der Milchstraßenfotografie.
Diesmal erstelle ich nicht nur Panoramen, sondern fotografiere auch Ausschnitte der Milchstraße. Z.B. die Region um Deneb, dem hellsten Stern im Sternbild Cygnus (Schwan) mit dem Nordamerika- und Pelikannebel. Mit ganz einfachen Mitteln, ohne Nachführung, ohne Timer. Nur mit Spiegelreflex, manuellem 50mm-Samyang-Objektiv, Stativ und Kabelfernauslöser. So erstelle ich jeweils 160 Fotos, die ich später am Rechner stacke (zusammenführe).
Auch das Milchstraßenzentrum im Bereich des Sternbildes Sagittarius (Schütze) nehme ich so aufs Korn.
Selbst mit dieser einfachen Methode sind bereits viele Deep-Sky-Objekte erkennbar. Leider vergesse ich in dieser Nacht, die Blende des Objektivs nach den Testfotos wieder „richtig“ einzustellen, weshalb die Bilder bei Offenblende geschossen wurden. Bei Offenblende wiederum ergeben sich sog. „Jets“ in den Sternen, insbesondere in den Randbereichen der Fotos. Solange die Fotos nicht vergrößert werden, fällt das allerdings nicht allzusehr auf. Ich hoffe auf die nächste Gelegenheit und werde dann hoffentlich an alles denken.
Das ist die Crux bei der nächtlichen Sternenfotografie: Man kann so viel vergessen und übersehen…
Apropos Jets: Zufällig erwische ich ein Iridium-Flare, eine Lichterscheinung, die durch die Reflexion des Sonnenlichts an einem Iridium-Satelliten entsteht. Iridium ist ein Edelmetall aus der Gruppe der Platinmetalle.
Schließlich versuche ich noch den Kugelsternhaufen M13 im Sternbild Herkules abzulichten. Eine Nachführung, die die scheinbare Sternbewegung ausgleicht, verwende ich nicht. Deshalb muss nach jeweils etwa 50 Fotos die Kamera neu ausgerichtet werden, um M13 im Bildbereich zu halten.
Da ich weiß, dass gegen Morgen Jupiter, Saturn und Mars aufgehen werden, habe ich meine langen Teleobjektive mitgenommen. Es wird schon langsam hell, als ich Jupiter und Saturn aufs Korn nehme. Natürlich ist das keine ernsthafte Planetenfotografie. Für die braucht es ein Teleskop, eine Webcam usw. Aber trotzdem freue ich mich, dass ich die Monde des Jupiters und sogar den Saturn mit seinen Ringen erkennbar ablichten kann.
Auch wenn die Aufnahmen und ihre Bearbeitung noch nicht optimal sind: Für mich selbst ist es ein gelungener und motivierender Einstieg in die Astrofotografie, ohne teure Spezialaustrüstung (von einer Heizmanschette für 30 Euro zur Vermeidung einer beschlagenen Optik im Winter und einer USB-Powerbank, die ich sowieso schon hatte, einmal abgesehen). Das nächste, was ich mir kaufen werde, ist eine Nachführung, damit ich die Erdrotation bei der Deep-Sky-Fotografie ausgleichen und lange Belichtungszeiten erreichen kann…
Wenn Du auch einmal eine heiße gegen eine kalte Nacht zugunsten spannender Astrofotos tauschen möchtest, zeige ich Dir in meinem Bericht „Deep-Sky-Fotografie ohne Nachführung – Astrofotografie mit einfachen Mitteln“ (der Link zu diesem Bericht wird ergänzt, sobald er fertiggestellt ist), wie es geht.
Aber Vorsicht! Die Astrofotografie birgt jede Menge Suchtpotenzial und bald reicht einem die Astrofotografie mit den einfachen Mitteln nicht mehr aus. Wer nicht weiß, wohin mit seinem Geld, kann sich hier wunderbar austoben…
Hier meine bisherigen Berichte zu Vorgehensweisen bei der Astrofotografie:
- Mond fotografieren – Guter Mond, du gehst so schnelle
- Mondfotografie – Hat der Mann im Mond Pickel?
- PlanIt Anleitung – PlanIt! für Fotografen
- Fotoplanung mit PlanIt! für Fotografen
- PlanIt Markierung – Der Szenenstandort
- PlanIt Kalender – Mond-Phasen ermitteln
- PlanIt Kamerastandort ermitteln – Planungselemente
- PlanIt Tutorial – Mondfoto planen mit der Ereignissuche
- Milchstraßenfotos planen – PlanIt! und andere Werkzeuge
- Startrails – Planen mit PlanIt! für Fotografen
- Fundorte notieren – App statt Notizbuch
Super Ronald, wunderbarer Bericht. Bin total begeistert, wie toll du alles beschrieben hast. Ich kann mir richtig vorstellen, wie du unter schwierigsten Bedingungen () die Bilder gemacht hast. Aber lieber Ronald, es hat sich echt gelohnt. Einfach klasse Fotos
LG Heidi
Liebe Heidi,
das ist natürlich Balsam für meine unter schwierigsten Bedingungen geschundene Fotografenseele…
Liebe Grüße
Ronald
Du bist einfach unschlagbar!!!!!! Bin richtig stolz auf dich, Schwagerherz
Da hast Du wohl recht…
Lieber Ronald, ich bin immer wieder fasziniert davon, dass du dich doch tatsächlich noch selbst übertreffen kannst mit deiner Fotokunst. Großartig!
An mangelndem Abstand kann es nicht gelegen haben, dass dich das Astrovirus erwischt hat.
Aber wir sind ja alle aus Sternenstaub.
Herzliche Grüße an dich und deine offensichtlich arg vernachlässigte liebe Ehefrau.
Hoffentlich bis bald.
Karin
Liebe Karin,
über Deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut. Vielen Dank!
Erika und ich hoffen, dass es Dir gut geht und Du Dich in Deiner neuen Umgebung gut eingelebt hast und Dich wohlfühlst.
Ja, hoffentlich ergibt sich die Gelegenheit, dass wir uns noch einmal sehen. Ist ja schon lange, lange her.
Liebe Grüße von Erika und mir
Ronald
Lieber Ronald,
leider habe ich „Null“ Ahnung von der Fotografie, bin aber jedesmal von deinen Fotos und Berichten mit den teilweisen lustigen Kommentaren begeistert 🙂
Auch bei der Astrofotografie sind die Fotos einfach nur fantastisch und spektakulär! Sogar die Ringe um den Saturn sind zu erkennen.
Jetzt noch ein kleiner Tipp „falls der Papa Pipi muss“: Wenn du nochmal bei Nacht und Kälte losziehst, trage doch unter deinen vielen Hosen einfach eine Windel. Das ist kein Spaß, denn ich weiß vom lieben Gerd, dass z.B. viele Karnevals-Funken beim Rosenmontagszug (der ja immerhin ca. 5-6 Sunden dauert) eine Windel tragen, da sie ja während des Umzugs nicht austreten können 😉
Ich freue mich schon auf deinen nächsten Bericht!
Liebe Grüße an dich und Erika, natürlich auch von Gerd,
herzlich Conny.
Liebe Conny,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar, der mich natürlich sehr gefreut hat!
Danke auch für den Windel-Tipp. Allerdings: Ich bin ein Meister im Einhalten. Und wenn es wirklich nicht mehr gehen sollte, dann habe ich bisher in meinen Hosen noch jede Kleinigkeit gefunden…
Wenn die Gondeln Trauer tragen äähh wenn die Funken Windeln tragen, dann funkt im Karneval aber nichts mehr oder?
Liebe Grüße an Dich und Gerd von Erika und mir.
Ronald