Warnung: Dieser Bericht ist für Jugendliche unter 16 Jahren und erwachsene Weicheier nicht geeignet! Warum, das wird später erklärt. Wer kennt nicht den berühmten Roman von Karl May „Unter Geiern“? Ich vermute, dass die Urfassung nicht von der Geier-Bande im Llano Estacado zwischen New Mexico und Texas handelte, sondern nahe der Eifel spielte und der ursprüngliche Titel „Unter Reihern“ hieß. Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mich mehrfach nach Aachen begeben, wo ich die Graureiherkolonie intensiv beobachtet habe.
Unmittelbar am Tierpark in Aachen befindet sich nämlich eine Graureiherkolonie. Die Graureiher werden im Volksmund auch Fischreiher genannt. Das einmal gemächliche, dann aber wieder emsige Tun in dieser Kolonie ist oft spannender als Karl May es hätte schreiben können.
Die dortigen Graureiher sind keine Zootiere und haben mit dem Tierpark eigentlich nichts zu tun. Aber die Natur macht, was sie will, und die Reiher haben ihre Nester halt in die Bäume des Zoos gebaut. Vermutlich fiel die Entscheidung für diesen Ort, weil ein kleiner Stausee in den Tierpark integriert ist und weil der ein oder andere Leckerbissen, der eigentlich für die Zoobewohner gedacht ist, leicht stibitzt werden kann (dazu später mehr). Das erleichtert die Nahrungssuche enorm. Ende Januar/Anfang Februar beginnen die Balz und der Nestbau der Reiher in der Graureiherkolonie. Wer bereits ein altes (vorjähriges) Nest belegt hat, bringt seiner Angebeteten ab und zu statt Blumen ein Zweiglein für das gemeinsame Nest mit.
Sogar einige Meter neben mir lässt sich eines der Tiere nieder, um Nistmaterial zu sammeln.
Es ist faszinierend, dass derjenige Ehepartner, der das Nest belegt, bereits sein Begrüßungs-Krächzen ausstößt, obwohl weit und breit noch gar kein anfliegender Graureiher zu sehen ist. Aber die Vögel erkennen ihre bessere Hälfte schon aus sehr großer Entfernung (die Nestlinge und Ästlinge ihre Eltern übrigens auch).
Aus verschiedenen Perspektiven beobachte ich das spannende Treiben in der Graureiherkolonie: Vom Zaun außerhalb des Zoos und von verschiedenen Stellen innerhalb des Tierparks aus. Natürlich habe ich vorher am Kassenhäuschen gefragt ob ich fotografieren darf.
Die Spatzen nutzen die Unterseite der Reihernester für ihre eigene Aufzucht. Die kleinen Spatzennester sind durch die großen Reihernester gut geschützt. Ungeniert tun die Vögel dann das, wonach sie benannt wurden.
Wieder einmal sind es die Krähen, die das Brutgeschäft stören. Sie versuchen sogar, die Nester der Spatzen zu plündern.
Manchmal lassen sich in der Graureiherkolonie Rangeleien um unbelegte Nester und Frauen beobachten. Quasi ein Kampf um ungelegte Eier.
Ein Storchenpaar hat den bereitgestellten Nistkorb genutzt und dort sein Nest gebaut. Während der eine brütet, nestelt der andere am Nest herum.
Auf der Suche nach einem guten Standort für die Reiher-Fotografie im Aachener Tierpark mache ich das, was ich normalerweise nicht tue: Zoo-Tiere fotografieren. Der Vogel Strauß z.B. ist wegen Größe und Schnabellänge kaum mit einem Graureiher zu verwechseln. Wie man sieht, hat der Euregiozoo Aachen offensichtlich keinen eigenen Friseur…
Der Gepard schaut recht missmutig drein, während der „Lachende Hans“, ein Eisvogel, eher ein freches Gesicht aufsetzt. Sein Nachbar, ein Balistar, hat den lateinischen Namen „Leucopsar rothschildi“. Ich kannte bisher nur Muton rothschildi (oder so ähnlich).
Am Beverbach lasse ich mich mit meinem Equipment nieder. Vor mir, wo im April noch der Bärlauch blühte, tummeln sich jetzt, im Mai, die Blauflügel-Prachtlibellen.
Auf der anderen Seite des Bachs steht eine Hütte, auf deren Dach stets einer der Reiher „Wache“ hält und den für mich nicht einsehbaren Eingang gegen die Artgenossen rigoros verteidigt. Was mag es wohl mit der Hütte auf sich haben? Ich verlasse meinen Standort, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Um in das Gehege mit der Hütte zu gelangen, muss ich an den Eulen vorbei. Die Schneeeule schielt mich an und der Waldkauz döst vor sich hin. Vielleicht hat er sich bereits überfressen, denn sein Futter (Achtung, Jugend- und Weicheierschutz!) liegt auf einem Baumstamm bereit (mehr sehen wir gleich).
Im Gehege laufen neben Kranichen vor allem Hornperlhühner herum. Die sind so hässlich, dass sie fast schon wieder schön sind.
Nun entdecke ich auch den Grund, warum die Hütte bei Störchen und Reihern so beliebt ist: Sie ist quasi der Grillhähnchenstand für die Zootiere, denn hier wird das Futter für die Eulen aufbewahrt. Ein Graureiher kommt mit einem stibitzten toten Küken aus der Grillbude. Nicht etwa, dass er es gleich verschlingt! Nein, er beachtet stattdessen peinlich genau die Vorschriften zur Lebensmittelhygiene. Das Geflügel wird erst einmal gründlich gewaschen, bevor es verzehrt wird!
Eine Tierpflegerin erklärt mir später, dass die Tür zum Selbstbedienungsladen absichtlich für Störche und Reiher unverschlossen bleibt.
Ich begebe mich wieder an meinen Standort am Beverbach und beobachte die Nester der Graureiherkolonie. Der Nachwuchs ist bereits fast flügge, turnt im Geäst herum und macht Trockenübungen mit den gefiedermäßig noch nicht vollständig ausgeprägten Flügeln.
Das macht hungrig. So hocken die Halbstarken irgendwann im Nest und warten auf den elterlichen Rosinenbomber. Ich warte auch. Lange muss ich warten, denn je größer die Kleinen werden, desto seltener werden sie gefüttert. Irgendwann ist es dann soweit. Das Elterntier trifft ein und wird gleich angebettelt. Im Kehlsack des Elternvogels befinden sich allerdings keine Rosinen. Was da ausgewürgt wird, mag den Reiherkindern schmecken. Mein Fall ist es nicht.
Dafür freue ich mich über die Aufnahmen, auf die ich so lange warten musste. Eigentlich bin ich bereits auf dem Weg zum Ausgang, als sich im Storchennest etwas tut. Auch dort ist der Nachwuchs nicht mehr so ganz klein. Jedenfalls war der Elternstorch offensichtlich in der Grillbude und hat frische Küken mitgebracht. Auch wenn sie nicht mehr so ganz frisch aussehen.
Nach dem Mahl bastelt der Storch noch ein wenig an seiner Bude herum. Ich selbst begebe mich aber nun endgültig auf den Heimweg.
Toller Artikel mit wunderschönen Fotos. bei uns hier im Eschweilertal, ein Natura-2000 Schutzgebiet (Nordeifel), gibt es auch Graureiher. Eine ganze Kolonie allerdings nicht. Dazu reicht das Futterangebot vermutlich nicht. Sind wir ganz stolz drauf.
Hallo Solveig Frank,
vielen Dank! Dafür gibt es bei Euch viele wilde Orchideen…
Herzliche Grüße
Ronald
Klasse, wieder ganz tolle Bilder und sehr schön dokumentiert.
Danke Ronald, weiter so.
LG Heidi